Eine wahre ehrliche Geschichte einer verzweifelten Mama.
Stillen – die natürlichste Sache der Welt? Wie der unbedingte Wunsch mein Kind zu stillen mich in eine Depression trieb.
„Es war nie eine Option für mich, dich nicht zu stillen. Mit diesem festen Vorsatz begann meine Stillgeschichte, noch lange bevor meine Tochter geboren wurde. Stillen – das natürlichste der Welt. Natürlich würde ich mein Kind stillen und zwar mindestens 1 Jahr lang.
Davon war ich so fest überzeugt, dass ich vorab natürlich kein Fläschchen besorgte – nur für den Fall es würde nicht funktionieren. Nein, es MUSSTE funktionieren. Für mich reine Einstellungssache.
Jeder der nicht stillte – konnte es nicht genug wollen. Zu wenig Milch – gibt es nicht. Dies war meine Einstellung. Doch ich wurde eines Besseren belehrt. Alles begann damit, dass meine Tochter nicht so wie erwartet (und unterschiedlichen Ärzten sehr groß und auf 3700-3800g geschätzt wurde) mit 2830g in der 40. SSW auf die Welt kam. (Schock-) Diagnose: Small for Date (Neugeborenes, welches für die Schwangerschaftswoche zu klein/leicht zur Welt kommt) bei einer Mutter die knapp 175cm groß, Normalgewichtig ist und stolze 18kg in der Schwangerschaft zugenommen hat.
Am zweiten Tag hatte meine Tochter bereits über 10% abgenommen und aufgrund ihres niedrigen Geburtsgewichtes musste zugefüttert werden. Trotz meines Wissens das dies natürlich normal ist, ertönten sofort die Alarmglocken in meinem Kopf und ich willigte ein als erstes mittels Flasche zuzufüttern als, wie ich natürlich wusste, langsam mittels Spritze und Fingerfeeder zuzufüttern.
Der Teufelskreis begann. Aufgrund der natürlich viel zu hohen Menge an Nahrung die sie per Flasche erhielt, schlief sie danach ewig und war kaum weckbar, geschweige denn dass ich sie zum Stillen anlegen konnte. Ich begann abzupumpen um das Anlegen meines Kindes zu imitieren.
Zuhause angekommen begann der Marathon – Kind anlegen (was bekanntlich am Anfang einige Zeit dauert), nachfüttern – abpumpen. Und das in Dauerschleife ohne Zeit zu verschnaufen. Und daneben ein scheinbar immer hungriges Kind, das nicht abgelegt werden konnte. Mein Mann war das erste Monat nach der Geburt leider nicht zuhause sondern ging erst im zweiten Monat in „Papa-Monat“. Ich dachte für ein hochausgebildetes Fachpersonal wie mich, die mit weit kleineren Babys zu tun, wäre es kein Problem.
Doch durch die hormonelle Veränderung und meine neue Rolle als Mama war ich im Ausnahmezustand. Ich fühlte mich ständig hilflos und alleine gelassen. Ein ständiges auf und ab in den nächsten Wochen folgte. Warum konnte ich mein Kind nicht ernähren ¬– lag es an meinen Brustwarzen? – an ihrem angeborenen Schiefhals? – an der zu voreiligen Zufütterung mit Flasche? – hatte ich sie nicht genug angelegt?
Diese Fragen stellte ich mir gefühlt 1000 Mal am Tag. Alles drehte sich ums Gewicht, jede Windel wurde gewogen ob sie wohl genug Harn ausscheidet. Gefühlt das ganze Internet und jede Stillgruppe wurde durchforstet um eine Erklärungen zu finden, warum ich meine Tochter nicht voll stillen konnte. Jeden kleinsten Tipp griff ich auf und setzte ihn in die Tat und hoffte eine Verbesserung unserer Stillbeziehung zu erzielen.
Über Powerpumpen, Milchspendereflex vor dem Stillen auslösen, jede einzelne Stillposition, Stillen am PeziBall, Re-Bonding oder verschiedenste Nahrungsmittel, egal ob bei mir ein Würgereflex ausgelöst wurde oder nicht – für meine Tochter würde ich alles tun? Für meine Tochter oder doch für mich??
Diese Frage kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten – ich war in meiner Blase gefangen. Mein ganzes Leben drehte sich nur ums Stillen – jedes Gespräch wurde von mir früher oder später darauf gelenkt wer welches Kind wie lange gestillt hat. Und die Liste der Dinge die ich versuchte war unzählig lang. Es gibt nichts was ich nicht versucht habe. Ich war am Ende meiner Kräfte. Angekommen in einer Depression die durch das Nicht-Stillen ausgelöst wurde. Ich war einfach nur traurig, vor jedem Stillen hatte ich Angst vor dem erneuten Rückschlag – wie viele ml musste ich wieder zufüttern, wie lange würde ich sie stillen können bevor sie wieder zu weinen beginnt. Egal wie viele Leute mir zuredeten – ich musste Stillen. Das war alles was ich wollte. Letztendlich sah ich ein, mich in einer beginnenden Depression zu befinden.
2,5 Monate nach einem Still – Abpump – Marathon war ich angekommen an einem Punkt wo ich resignieren musste – ich konnte nicht mehr. Zu viele Tränen wurden vergossen anstatt die kurze Baby-Zeit mit meinem Kind einfach nur zu genießen. Und plötzlich funktionierte es!! Zwar nur in einer, nicht sehr rückenfreundlichen Position für mich (Baby am Rücken am Boden liegend und ich darüber gebeugt), aber es funktionierte.
Und das war was ich mir so sehnlich wünschte. Es war keine perfekte Stillbeziehung, denn monatelang konnte ich sie nur in dieser einen Position und immer nur nach dem Schlafen, im Halbwachen Zustand stillen (nachts war das Stillen bei uns nie ein Problem). Das hieß keine langen Spaziergänge, keine Treffen ins Cafe´s etc. (was „Dank“ Corona ohnehin „verboten“ war).
Sofort nach dem aufwachen musste sie gestillt werden sonst lehnte sie die Brust demonstrativ ab. Doch für mich war es ein Wunder und ich tat alles um das Stillen aufrecht zu erhalten und stillte sie knapp 10 Monate lang, bis sie sich selbstständig abstillte und keine reine Milchmahlzeit mehr benötigte. Woran es lag warum es – nach 2,5 Monate extrem hartem Kampf – plötzlich funktionierte.
Ich weiß es bis heute nicht. Aber ich denke es lag größtenteils daran, dass ich widerwillig bereit war die Flaschennahrung anzunehmen und somit der Stress abnahm, den ich mir selber machte. Ich hatte eindeutig zu hohe Erwartungen. Vorbild war meine meine Schwester, die ihre 3 Kinder insgesamt 5 Jahre stillte und es nie irgendein Problem gab und sich all ihre Kinder immer an der obersten Perzentile befanden. Doch meine Schwester und ich sind und waren immer sehr unterschiedlich – quasi wie Tag und Nacht. Warum bildete ich mir also ein, dass genau in diesem Bereich alles genau so laufen musste wie bei ihr?
Natürlich ein absoluter Irrglaube was ich leider viel zu spät begriff. Stillen ist harte Arbeit aber dranblieben und sich den Druck rausnehmen lohnt sich definitiv!
Anonyme Mama